Text 
        Aria  
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          1. O liebe Seele, zieh die Sinnen 
          von schnöder Welt- und Wollust ab, 
          so ruft dein Schöpfer von der Zinnen 
          der hohen Himmelsburg herab. 
          Er zeigt dir Wege 
          und schöne Stege, 
          auf welchen du 
          dich recht kannst laben 
          und alles haben, 
          worinnen deine Seele findet Ruh. 
           
          2. Betrachte nur des Schöpfers Güte 
          und siehe seine Wunder an, 
          die izto in der schönsten Blüte 
          des Jahres sich herfürgetan. 
          Las deine Augen 
          was Gutes saugen 
          sich aufwärts kehren, 
          aus jedem Blatt. 
          Komm, lass dich lehren 
          von Halm und Ähren, 
          ob man nicht Ursach Gott zu preisen hat. 
           
          3. Gott hat dich ja für andern Tieren 
          mit aufgerichtem Angesicht 
          und mit Verstande wollen zieren, 
          dass deiner Seel und Augenlicht 
          die Welt nicht achte, 
          vielmehr betrachte, 
          was himmlisch ist, 
          und dessen Ehre 
          allzeit vermehre, 
          der dich zu seinem Bilde hat erkiest. 
           
          4. Pflegt nicht ein jedes Blatt zu preisen 
          den, der es weislich vorgebracht 
          und dich zum Schöpfer hin zu weisen, 
          wenn sie der Westwind redend macht? 
          Sieh, wie die Ähren 
          sich aufwärts kehren, 
          den Fingern gleich, 
          und wollen zeigen, 
          auch nicht verschweigen 
          den, der sie also macht an Körnern reich. 
           
          5. Die Blumen, die schon teils vergangen 
          als Bilder der Vergnüglichkeit, 
          teils noch im Feld und Gärten prangen 
          sind alle auf sein Lob bereit, 
          es muss die Farben 
          ein König darben 
          in seiner Pracht, 
          aus einer Erden, 
          wie mag dies werden, 
          sind mehr als tausend Arten vorgebracht. 
           
          6. Darunter will ein jeder lehren, 
          wie Gott allgegenwärtig sei, 
          wie Herz und Sinn zu ihm zu kehren, 
          wie Weltlust nur sei lauter Spreu, 
          die bald verschwindet, 
          sobald sich findet 
          ein rauher Nord, 
          da sonst, wenn Christen 
          fliehn von den Lüsten, 
          der Himmel allzeit bleibt ihr sichrer Port. 
           
          7. Die weisse Lilie und Narzisse 
          zeigt Adams Fall und Missetat, 
          da Satan unter seine Füsse 
          das Kleid der reinen Unschuld trat 
          Mensch, du sollt streben 
          nach reinem Leben 
          und nach dem Bild, 
          das du verloren, 
          eh du geboren, 
          damit der Zorn des Höchsten werd gestillt. 
           
          8. Ja, sprichst du, wer kann also leben, 
          wer wollte sich in solche Not 
          und aller Menschen Spott begeben? 
          Du aber wisse: Wie kein Kot 
          von Wurm und Fliegen 
          auf uns bleibt liegen, 
          so ist es auch. 
          Wirst du Gott lieben 
          wird dein Betrüben 
          gar bald verschwinden wie ein leichter Rauch. 
           
          9. Die Tulipan zeigt ihre Farben 
          komm, Mensch, bespiegle dich in mir; 
          ich habe zwar, was andre darben 
          doch stell ich meine Art auch für: 
          In wenig Jahren 
          muss ich erfahren, 
          wie nichts besteht, 
          wie alles Prangen 
          so bald vergangen 
          und wie von schöner Pracht nichts Süßes geht. 
           
          10. So, Mensche, bist du auch beschaffen, 
          dein Herz will ohne Einfalt sein, 
          du willst allzeit der Welt nachaffen, 
          was sie verdammt, das nimmst du ein. 
          Allein bedenke, 
          wie sehr es kränke 
          den, der dich liebt, 
          dass er muss sehen 
          dich schnell vergehen, 
          weil keinen guten Gruch dein Leben gibt. 
           
          11. Das Veilgen heisst dich Demut üben, 
          weil Gott dich sonst nicht riechen kann, 
          weil er die Demut sehr tut lieben, 
          so schlägt sein Blitz bei Zedern an. 
          Es steht mit Hohne 
          die Kaiserkrone 
          und wird veracht', 
          weil wenig Kräfte 
          und Lebenssäfte 
          aus ihren Blättern werden vorgebracht. 
           
          12. Und so gibt jedes gute Lehren, 
          wenn du nur suchst, wies billig ist, 
          das Lob des Höchsten zu vermehren, 
          nicht aber weltgesinnet bist. 
          Merke das eine, 
          was ich itzt meine 
          ist nützlich satt: 
          Blumen verderben, 
          drum lerne sterben, 
          wohl dem, der dieses wohl studieret hat.
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